Meine letzte Klassenfahrt

von Lisa Kallfaß und Marie Heyden aus der Klasse 6 der Heinrich-Heine-Schule Karlshagen und Sylke Scheufler

Endlich ist es soweit. Ich, Laura, Spitzname Lauri, 16 Jahre alt, freue mich auf meine letzte Klassenfahrt.
Doch leider ist etwas Schlimmes passiert:  Unsere Klassenlehrerin, Frau Müller, hat sich bei einer Fahrradtour den Fuß gebrochen und kann so leider nicht mitkommen, also fährt unsere stellvertretende Klassenlehrerin, Frau Tischler, mit uns.
An sich gar nicht schlimm, nur hätten wir uns bei Frau Müller unsere  Zimmergenossen aussuchen können, aber jetzt sucht Frau Tischler unsere Zimmerpartner aus.
16:32 Uhr. Soweit, so gut, nun werden wir eingeteilt. „Zimmer eins: Laura, Kimi, Sofia, Lilly.“ Oh nein! Sofia ist das schlimmste Mädchen überhaupt, sie ist einfach so unfassbar zickig und auch noch in denselben Jungen verliebt, wie ich es bin.
Jetzt müssen wir in unsere Zimmer gehen, unsere Sachen abstellen und versuchen, uns zu einigen, wer oben und wer unten schläft.
„Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, Mädels, aber da ist ja wohl klar, dass ich oben schlafe“, sagte Sofia.
Kimi, Lilly und ich schauten uns im selben Moment an und ich denke, wir dachten alle dasselbe: Sofia muss hier raus.
Also gingen wir zu Frau Tischler und beschwerten uns über Sofia, aber was sie darauf antwortete, war einfach nur unfassbar.

„Ihr seid fast erwachsene junge Damen, also benehmt euch auch so und nicht wie kleine Mädchen im Kindergarten. Es wird Zeit, dass ihr lernt, Probleme allein zu lösen. Sagt Sofia ruhig und sachlich, was euch an ihr stört und versucht, miteinander auszukommen.“ Genau das waren ihre Worte.

Zur Lagebesprechung zogen wir uns in den Speiseraum der Jugendherberge zurück. „Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, Mädels“, Lilly ahmte die Stimme von Sofia nach, „aber das bedeutet ja wohl Krieg!“

„Genau. Zickenkrieg!“ Mit grimmiger Miene verschränkte Kimi die Arme.

„Drei gegen eine!“, stimmte ich zu. Das fehlte noch, dass Sofia uns die Klassenfahrt vermasselte.

Kimi hatte gleich eine Idee. „Ohne ihren Schminkkoffer ist Sofizicke aufgeschmissen. Wir versenken den irgendwo im Wasser. Oder wir beschmieren ihre Klamotten mit Lippenstift, Nagellack und Wimperntusche. Dann hat sie nichts anzuziehen und muss nach Hause fahren.“

Bei der Vorstellung musste ich grinsen. „Die würde bestimmt heulen wie eine Sirene. Aber Frau Tischler wüsste sofort, wer das war. Was haltet ihr davon: Wir schmuggeln eine Schachtel Zigaretten in ihre Tasche und geben Frau Tischler einen Tipp. Natürlich anonym. Wer Zigaretten dabei hat, wird von seinen Eltern abgeholt. Darüber sind wir belehrt worden.“

„Cool. Aber wo kriegen wir Zigaretten her?“ Kimi riss die Augen auf. „Hast du etwa …?“

„Pst, nicht so laut!“, ermahnte ich sie. „Natürlich nicht, ich bin doch nicht blöd. Wir bitten Kevin, dass er uns die besorgt. Der ist siebzehn und sieht aus wie achtzehn. Außerdem kann er Sofia auch nicht leiden.“

Während Kimi begeistert nickte, betrachtete Lilly nachdenklich das breite Fenster für die Essenausgabe und sagte: „Nicht übel, aber mir ist noch was anderes eingefallen. Sofia ist doch allergisch gegen Haselnüsse. Sie hat deswegen extra ein Glas mit Schokoaufstrich ohne Nüsse mit. Wie wär’s, wenn wir statt der Schokocreme Nutella ins Glas füllen?“

„Lilly, bist du dir sicher? Was ist, wenn es lebensbedrohlich für sie sein kann?“
„ Ach nein, so schlimm wird es schon nicht werden“, sagte Lilly selbstsicher.
„So, Leute, aber nach drei Tassen Tee muss ich mal für kleine Mädchen.“ Kurz vor der Toilettentür konnte ich meinen Augen nicht trauen.
Im  Augenwinkel sah ich einen Jungen aus der Tür kommen, nein, es war nicht nur irgendein Junge, sondern der Junge, von dem ich jede Nacht träume.
Es war Nico, er gucke mir direkt in die Augen und ich glaube, ich habe ihm sogar ein kleines Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Plötzlich musste ich doch nicht mehr so dringend auf die Toilette und ging zu meinen Mädels ins Zimmer.
„Leute, ihr werdet es mir nicht glauben, aber er ist hier!“ Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und schrie vor lauter Glück.
Lilly und Kimi sagten im selben Moment: „Wer ist denn da ?“ Aber ich konnte es ihnen nicht einmal mehr mitteilen, weil unsere Lehrerin in unser Zimmer gestürmt kam und sagte: „Wenn es nochmal so laut bei euch werden sollte, schlafe ich bei euch im Zimmer.“
Wir alle riefen im Chor: „Nein! Bitte nicht!“
„ Ach so, übrigens – wir werden jetzt mit der Schule Blütenwald unsere Ausflüge veranstalten“, fügte sie hinzu und ging hinaus.
Blitzschnell wurde mir klar, dass Nico auch auf die Schule Blütenwald geht und dass die Tage auf unserer Klassenfahrt dann doch noch aufregender werden als gedacht.
Als ich meinen Freundinnen endlich erklären wollte, was sich nun genau vor der Toilette abgespielt hat, platzte Sofia mit knallroten Wangen in unser Zimmer und ging wie ein wild gewordenes Tier auf uns los und fragte in strengem Ton: „Wo ist mein Schokoaufstrich, wer von euch hat ihn mir geklaut?“
In derselben Sekunde schauten wir uns an und konnten uns das Lachen einfach nicht verkneifen und Sofia stapfte beleidigt aus unserem Zimmer.
Nach ca. zwei Minuten Lachen sah ich, wie Lilly das Schokoaufstrichglas aus ihrem Rucksack hervorholte.

Ich nahm es ihr ab und versteckte es in einem der Turnschuhe, die ich in einem Beutel in meinem Koffer aufbewahrte.

„Jetzt müssen wir noch Nutella kaufen. Gleich um die Ecke habe ich einen Edeka gesehen.“ Lilly hängte sich ihren Rucksack über die Schulter.

„Genau. Drei Haselnüsse für Sofizicke“, sagte Kimi und wir prusteten wieder los.

Von Frau Tischler holten wir uns die Erlaubnis, zum Edeka zu gehen. „Ich habe Zahnpasta vergessen“, log Lilly, als unsere Lehrerin wissen wollte, was wir denn gleich nach unserer Ankunft so dringend brauchen.

Auf dem Rückweg vom Supermarkt trug Lilly außer einem Glas Nutella eine große Packung Erdnussflips und zwei Tüten Gummibärchen im Rucksack.

Inzwischen hatten sich auf dem Grillplatz der Jugendherberge viele Jugendliche vor einem Baum versammelt, an den ein blondes Mädchen gelehnt saß. Daneben kniete jemand und schüttete Wasser aus einer Flasche auf deren Unterarm. Als ich den Jungen erkannte, versuchte mein Herz eine neue Schrittfolge: Es war Nico. Er betupfte der Blonden Stirn und Schläfen mit Wasser und redete beruhigend auf sie ein. Für einen Moment beneidete ich sie. Aber dann bekam ich mit, dass ihre Augen zugeschwollen waren und sie kaum atmen konnte. Auf ihrem Unterarm leuchtete eine dicke rote Beule. Eine Frau drängelte sich an uns vorbei. „Florian sagte, … du hast schon den … Notruf gewählt“, japste sie. Nico nickte. „Du bist ein Engel“, lobte ihn die Frau und beugte sich über das Mädchen. Wenig später hörten wir das Martinshorn.

„Alle beiseite!“ Zwei Sanitäter mit einer Trage bahnten sich ihren Weg durch die Schülertraube. Zufällig kam Nico zu uns. Plötzlich stand Sofia neben mir. „Was war denn mit der los?“, fragte sie und ich wünschte sie auf den Mond oder noch weiter weg. Kimi und Lilly verdrehten die Augen.

„Sie wurde von einer Biene gestochen und hat einen allergischen Schock erlitten. Das kann tödlich enden“, antwortete Nico.

„Und woher wusstest du, wie man helfen kann?“ Sofia rückte immer dichter an ihn heran, was bei mir auch so etwas wie eine allergische Reaktion hervorrief. Zumindest warf das Blut in meinen Adern Blasen. Während Nico antwortete, musterte er Sofia aufmerksam. „Ich bin schon seit vier Jahren bei der Johanniter Jugend, da lernt man so was.“ Lächelte er sie etwa an?

„Ich habe eine Allergie gegen Haselnüsse. Wenn mir hier etwas passiert, wirst du mich dann auch retten?“ Jetzt klimperte Sofia sogar mit den Wimpern, mir wurde schlecht. Zum Glück wurde sie von Frau Tischler gerufen. In diesem Augenblick hätte ich unsere Lehrerin umarmen können. „Ich heiße übrigens Sofia.“ Ehe Sofia ging, warf sie mit einem eleganten Kopfschlenker ihre langen, schwarzen Haare zurück.

„Ist sie in eurer Klasse?“ Nico sah mich an.

„Ja, leider.“ „Die totale Oberzicke.“, kam es von Kimi und Lilly gleichzeitig.

Zuerst wollte ich gründlich über Sofia herziehen, aber dann bemerkte Nico: „Sie ist ganz schön aufdringlich.“ Auf einmal war mein Ärger weg.

Als die Sanitäter das blonde Mädchen auf der Trage zum Rettungswagen brachten, schickte die Frau, die offensichtlich Nicos Lehrerin war, ihre Schüler in den Speiseraum. „Wir sehen uns“, sagte Nico zum Abschied.

„Und was machen wir jetzt mit dem Nutella?“, sprach Kimi die Frage aus, die auch mich beschäftigte.

„Leute, ganz ehrlich, ich würde diese ganze Aktion lieber lassen. Ich meine, wir haben ja gesehen, was bei einem allergischen Schock alles passieren kann“, riet ich meinen Freundinnen.

Lilly und Kimi stimmten mir genervt zu.

Endlich ist es abends und wir haben nur noch drei Tage Klassenfahrt, also wird heute Abend ein Lagerfeuer gemacht.

Lilly und Kimi setzten sich komischerweise weit weg von mir, also setzte ich mich ganz in die Nähe von meinem Schwarm Nico. Er begrüßte mich nett und ich setzte mich genau neben ihn. Wir erzählten eine Weile über Gott und die Welt, als sich urplötzlich Sofia zu uns setzte.

GENAU neben Nico. Nico und ich schauten uns beide verwundert an und auch Sofia schauten wir an, aber genervt. In derselben Minute stand Nico auf, nahm meine Hände und bat mich, mit ihm hinter das Haus auf eine wunderschöne Bank zu gehen.

Ich stand ebenfalls auf und ließ mich von ihm führen. Sofias Blick war einfach nur unbezahlbar.

Als wir dann endlich an der Bank ankamen, setzten wir uns beide dicht nebeneinander auf die Bank und Nico sagte: „Du, Laura, ich muss dir etwas beichten und zwar, dass …“

Plötzlich hörten wir ein Mädchen schreien, sprangen auf und rannten auf sie zu. War es wirklich Sofia und stand neben ihr ein Nutellaglas? Ich konnte meinen Augen kaum trauen, bis ich realisierte, dass Lilly und Kimi doch Haselnüsse in ihren Schokoaufstrich getan haben mussten.

Wie zu befürchten, bekam Sofia einen allergischen Schock und Gott sei Dank war der Notarzt schon da und sagte beruhigend: „Keine Angst, sie hat nur ein bisschen Ausschlag an den Armen. Sie braucht jetzt einfach nur noch ein bisschen Ruhe und Erholung.“

Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich fiel Nico erleichtert in die Arme und fragte ihn, was er mir vorhin sagen wollte, und er antwortete darauf: „Ich wollte dir vorhin auf der Bank sagen, dass du das schönste Mädchen bist, was ich kenne, und ich mich in dich verliebt habe.“

Bevor ich es überhaupt realisierte, küsste er mich, und ich hatte noch mehr als nur Schmetterlinge im Bauch und freute mich einfach nur darauf, die restlichen Tage mit Nico zusammen zu verbringen.